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Das Potential des Menschen

Auszüge aus der Vortragsserie 'Die Natur der Persönlichkeit'
von Swami Veda Bharati
Teil 2

Dem Geist eine Ausrichtung geben

Der menschliche Geist ist gewohnheitsmäßig unruhig, erfüllt von ungeordneten Gedanken. Doch der Geist sollte entsprechend unserem Willens aktiv sein. Dazu gibt man ihm eine Ausrichtung.

Wird dein Geist nicht von deinem Willen gelenkt, so handelst du nicht, sondern reagierst nur. Wie viele deiner Entscheidungen, wie viele deiner gesprochenen Worte entstehen tatsächlich auf der Basis deines bewussten und kontrollierten Wollens? Denkst du bewusst oder kommen und gehen die Gedanken einfach ungeregelt?

Kreatives Potential

Hat das Denken keine Ausrichtung, ist die Kreativität des menschlichen Geistes äußerst begrenzt.

Es gibt nur sehr wenige Menschen wie Einstein und vermutlich nur einen Christus, nur einen Buddha. Doch hier hörst du, dass das gesamte Christusbewusstsein und die gesamte Erleuchtung des Buddha in dir präsent sind. Falls du nach etwas Geringerem als der Entwicklung dieses inneren Potentials strebst, so hast du dein Ziel zu niedrig gesteckt.

Du hast deine Ziele im Leben deshalb noch nicht erreicht, weil du dein menschliches Potential noch nicht ausgeschöpft hast. Du hast deinem Willen noch nicht die entsprechende Ausrichtung gegeben, damit der Geist unabgelenkt, friedvoll und kreativ ist.

Kreativ einerseits, unabgelenkt und friedvoll andererseits? Das klingt widersprüchlich. Nach meinem Verständnis kann nur aus einem stillen Geist Kreativität entstehen. Ein unruhiger Geist kann nicht kreativ sein.

Ruhiger Geist

Ein Vergleich: du stehst an einem See, der Vollmond scheint. Ein starker Wind weht, daher ist die Oberfläche des Sees unruhig. Aufgrund der vielen Wellen wird der Mond von der Oberfläche des Wassers nur zersplittert reflektiert. Er wird nur klar reflektiert, wenn der See ruhig ist. Dann wird auf der Wasseroberfläche selbst dein Gesicht klar gespiegelt, und du siehst sogar die Steine auf dem Grund des Sees.

In einem Geist, der still wie ein ruhiger See ist, kann Kreativität zum Vorschein kommen. Nur so kannst du dein gesamtes Potential entwickeln. Frei von Bemühung steigt Inspiration in dir auf. Letztendlich wird sich das höchste Bewusstsein zeigen. Was es damit auf sich hat, dazu später mehr.

Homo planlos

Noch hat dein Geist die Gewohnheit, sich in alle möglichen Richtungen zu bewegen. Dein Atem ist noch nicht gleichmäßig, deine Bewegungen sind noch unreguliert, dein Geist ist noch ungeregelt aktiv. Wenn ich jetzt für 5 Minuten aufhören würde zu sprechen: womit würde sich dein Geist beschäftigen? Wäre er wirklich kreativ?

Unsere Spezies bezeichne ich als 'Homo Planlos' - zufällige Gedanken, ungeregelte Atmung, planlose Bewegungen. Wir empfinden eine gewisse Inhaltslosigkeit, denn wir sind von Vollständigkeit noch weit entfernt. Wir erkennen in uns eine gewisse Unvollständigkeit, eine Art geistige Leere.

Aus seinem inneren Zentrum handeln

Meditation ist eine Möglichkeit, ein inneres Zentrum zu finden, von dem aus man bewusst nach außen geht und handelt - und dabei weiß: 'Dies bin ich, so'ham.'

Woher entsteht dieser Gedanke 'Ich'? Schau nach innen und suche nach diesem Wesen, das du als 'Ich' bezeichnest. Sobald du es erkennst, die Quelle allen Lichts im Universum, allen Friedens und der Stille, dann erkennst du auch, 'Ich bin. Ich bin dies - so'ham.'

Der innere Zeuge

Man sollte lernen, zu beobachten, d.h. Zeuge seiner eigenen Handlungen zu sein. Diesen Ausdruck, Zeuge, benutzt man in der Philosophie der Meditation. Ein bestimmter Bereich deines Geistes beobachtet, wie sich deine Hand bewegt. Er beobachtet die geäußerten Worte, wie die Augen die Welt sehen. Kannst du dich selbst beim Sehen, beim Hören beobachten?

Beobachte dich beim Entscheiden, beim Bewegen, im Handeln. Sei einfach Zeuge. Dadurch findest du in einen Zustand höherer Bewusstheit verglichen mit deinem gewöhnlichen Bewusstseinszustand.

In der Stille liegt wahre Freude

Ein sprunghafter Geist verändert sich fortlaufend, ständig bewegt er sich zu anderen Inhalten. Findet dieser schwankende Geist zur Ruhe, gibt es kein größeres Vergnügen, keine größere Freude als genau diese Stille des Geistes. Wenn du an wahrer Freude interessiert bist, solltest du lernen, wie dein Geist in diese Stille finden kann.

Manche bezeichnen es als Frieden. Manche nennen es Freude, manche Licht. Das alles sind Synonyme für Meditation. Ist der Geist frei von Dingen, die ihn beschäftigt halten, entsteht Vollständigkeit - ein vollständiges Bewusstsein. Die Yogaphilosophie definiert Vergnügen oder Freude als Konzentration. Worauf immer man sich konzentriert, wird zu etwas Vergnüglichem. Das, wovon man sich abwendet, ist Schmerz.

Ausrichtung auf den Atem

In der Meditation gibst du deinem Geist und deinem Atem eine Ausrichtung. Vom Moment deiner Geburt an bis zu deinem Tod atmest du. Doch nimmst Du Deinen Atem wahr?

Beobachte und spüre deinen Atem - du wirst herausfinden, dass eine Nasenöffnung aktiver ist als die andere. In 2 Stunden wird die andere Seite aktiver sein. Gewöhnlich wechselt die aktive Seite alle 2 Stunden, außer man ist sehr müde und führt ein sehr unregelmäßiges Leben. Nur sehr selten sind beide Nasenöffnungen gleich aktiv - z.B. bei einem plötzlichen Schock, oder im Moment des Orgasmus. Doch auch im Zustand der höchsten Meditation sind beide Nasenöffnungen für einen längeren Zeitraum gleich aktiv.

Wir leben in einer Welt der Gegensätze. Es gibt links und rechts, richtig und falsch, angenehm und unangenehm. Es gibt immer Vorlieben, Auf und Ab. Gewöhnlich gibt es nicht einen Moment, in dem wirklich alles ruhig und frei von Gegensätzen fließt. Die Yogaphilosophie beschreibt perfekte Meditation - wie die eines Christus, Buddha oder Krishna - als völlig frei von Gegensätzen. In wahrer Meditation gibt es keine Gegensätze, keine Konflikte. Man ist jenseits aller Dualität.

Begrenztes und unbegrenztes Bewusstsein

Beschäftigt man sich mit dem Thema Meditation, so beschäftigt man sich mit dem unbegrenzten Bewusstsein. Unser Bewusstsein kennt keine Grenzen. Das Universum ist begrenzt, das Bewusstsein ist unbegrenzt - 'so'ham - ich bin dieses Bewusstsein'. Nicht 'ich bin bewusst' - ich bin die Bewusstseinskraft. Ich bin das Prinzip, die Kraft, das Energiefeld bezeichnet als Bewusstsein. Daher bin ich eine Ausstrahlung des göttlichen Bewusstseins - daher bin ich immer rein, immer weise, immer frei. Wenn ich das erkenne, so bin ich frei und erleuchtet. Durch diese Erfahrung der wahren Wesensnatur in der Meditation erreicht man den Punkt, an dem es keine äußeren Reize, keine Objekte und keine Begrenzungen mehr gibt.

Jede Sache, an die man denkt, stellt eine Begrenzung dar. In der Meditation ist man frei davon - man ist ein Wesen voller Leben und Licht, ein Wesen reinen Bewusstseins. Irgendwo auf unserem Weg haben wir begonnen, uns mit diesem äußeren Instrument zu identifizieren und zu glauben: 'Ich bin dieser Körper - ohne diesen Körper existiere ich nicht.'

Wenn sich dein Körper verletzt, sagst du daher 'Ich bin verletzt'. Ist der Körper hungrig, sagst du 'Ich bin hungrig'. Doch unser innerstes Ich, das reine Bewusstsein, ist niemals hungrig oder durstig. Es wird niemals geboren und wird niemals sterben. Es ist jenseits von Namen, von Form oder Gestalt. Es kann von nichts beeinträchtigt werden und es bindet sich an nichts. Es ist von nichts getrennt. Es ist vollständig. Und ein meditativer Mensch, ein Meister, der in der Welt lebt, lebt in einer Welt der Freude, die wir gewöhnlichen Menschen nicht kennen. Diese Freude reicht weit über alles hinaus, was wir uns an Freude vorstellen können.

bindu 200

bindu yoga · meditation

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