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Prana und der Prozess des Sterbens

Auszüge aus der Vortragsserie 'Systeme der Persönlichkeit'
von Swami Veda Bharati
Teil 4

Das System der fünf Pranas

Ein anderes System ist das System der fünf Pranas.

Prana wird definiert als die erste Einheit der Energie. Wo immer das bewusste Wesen die unbewusste materielle Energie vitalisiert (bewegt), entsteht Prana. Prana ist überall - und ein Yogi lernt, dieses Prana zu nutzen und sein eigenes Prana zu bewahren und zu intensivieren. Auf diese Weise reduziert er das Bedürfnis nach Nahrung, Wärme, Medizin etc.

Jede Erkrankung ist eine Verformung des Prana - und diese entsteht durch einen verformten Geist. Es gibt keine andere Ursache für Krankheit.

Prana ist fünffach aufgrund der verschiedenen Funktionen, die es erfüllt. Hier diese fünf mit ihrem Wirkungsbereich:

  • Prana (spezifisch) - oberhalb des Herzens
  • Apana - unterhalb des Nabels
  • Samana - zwischen Nabel und Herz
  • Vyana - durchzieht den ganzen Körper - jede Zelle, jeden Nerv, jede Kapillare
  • Udana - oberhalb der Kehle.

Wenn man versteht, welche Funktionen des Körpers und Geistes mit diesen Bereichen in Verbindung stehen, versteht man die Funktion der betreffenden Pranas. Welchen psychologischen Teil findet man unterhalb des Nabels? All diese psychologischen und physiologischen Funktionen unterhalb des Nabels werden durch Apana kontrolliert.

Was zwischen Nabel und Herzzentrum geschieht, physiologisch und psychologisch, wird durch Samana kontrolliert.

Vyana ist zuständig für alles, das in all den Zellen, Nerven etc. vor sich geht, Zellen, die aktiv oder inaktiv sind, absterben oder neu gebildet werden.

Welche psychologischen und physiologischen Funktionen befinden sich oberhalb der Kehle? Udana ist für Yogis etwas sehr Spezielles. Durch die Kontrolle von Udana kontrolliert er seinen eigenen Sterbeprozess. Es besteht nicht nur ein großer Unterschied im Leben eines gewöhnlichen Menschen und eines Yogi, ethisch, emotionell, physisch etc., es besteht ein enormer Unterschied betreffend den Tod. Der Tod eines Yogi ist immer vorsätzlich, freiwillig, beabsichtigt. Das ist eines der Kennzeichen eines Yogi. Er weiß, wann sein Karma vorüber ist, und wird gehen. Dies geschieht durch die Kontrolle von Udana. Er zieht all seine Vitalität in Udana, konzentriert es dann am oberen Pol des Kopfes - und geht.

Prana und Geist setzen sich aus zweierlei Quellen zusammen: aus etwas Materiellem und etwas Spirituellem. Materie hat die Kapazität, vitalisiert zu werden. Das spirituelle Wesen hat die Kapazität, zu vitalisieren. Dort wo sich beides verbindet, entsteht Prana.

Die materielle, stoffliche Seite des Prana ist die Essenz der Nahrung, die solare Energie und der Atem. Diese drei zusammen erzeugen die stoffliche Seite des Prana, sofern sie vom vitalisierenden Selbst berührt sind. Das Potential wird dann effektiv.

Prana und die Kontrolle der Körperfunktionen

Für Yogis sind diese verschiedenen Prana-Funktionen von erheblicher Bedeutung, er beschäftigt sich mit den sog. 'autonomen' Funktionen. Was für uns eine unwillkürliche physiologische Funktion darstellt, ist für einen Yogi eine willkürlich steuerbare Funktion. Ein Yogi kennt keine unwillkürliche Funktion in sich, alles ist unter seiner bewussten Kontrolle. Er kann seinen Verdauungsprozess beschleunigen oder verlangsamen.

Auch wir können es beschleunigen, z.B. durch bestimmte Atempraktiken. Durch sie werden bestimmte Pranas gezielt stimuliert, sie entfalten bestimmte Wirkungen. Auch durch spezifische Konzentrationen lassen sich viele Dinge verändern.

Durch Konzentration auf die Kuhle unterhalb des Kehlkopfs kann Hunger und Durst kontrolliert werden. Das kann eine sinnvolle Übung sein z.B. für jene, die zu viel essen: sich beim Essen auf diese Stelle konzentrieren. Ein Yogi, der die Bewegung seiner Lunge und seine Atmung kontrolliert, kann seinen Herzschlag verlangsamen oder beschleunigen. Ein Yogi schläft und bleibt dabei doch wach. Er kann das gesamte Verdauungssystem vollständig reinigen. Doch für all das muss man die Aktivität und die Funktionen dieser fünf Pranas genau kennen.

Wozu sollte das alles gut sein? Wenn man die Funktionen der fünf Pranas wirklich kennt, führt man ein gesünderes Leben. Und auch wenn man nicht völlige Meisterung anstrebt, manche dieser Dinge werden in den höheren Stadien der Meditation notwendig.

Prana und Sterben

Sterben ist eine Kunst, bei der es um mehr geht, als das Sterben zu akzeptieren und mit dem Prozess möglichst bewusst umzugehen.

Yogis nutzen beim Sterbeprozess Udana, den Energieaspekt mit Wirkungsbereich oberhalb der Kehle. Ein Yogi stirbt bewusst, Tod ist ein Prozess, der unter seiner bewussten Kontrolle steht. Er trennt sein Prāṇa bewusst von seinem Körper: er sammelt es durch seinen Willen, führt es sorgfältig durch den Sushumna-Strom, den Kundalini-Strom, er sammelt die gesamte Energie im Bereich von Brahmarandhra (bei der Fontanelle), der sogenannten 'zehnten Öffnung' des Körpers - und von dort verlässt er den Körper.

Hat ein großer Yogi seine Mission erfüllt, wird er bewusst seinen Körper aufgeben. Sterben ist eine Kunst, bei der es um mehr geht, als das Sterben zu akzeptieren und mit dem Prozess möglichst bewusst umzugehen.

Es gibt einige Texte, die man in diesem Zusammenhang studieren sollte: die Katha-upanishad, das Tibetische Totenbuch, bestimmte Teile des Ägyptischen Totenbuchs, die Garuda-purana.

Meditation ist ein tägliches Sterben. Täglich meditieren bedeutet freiwillig sterben. Man löst seinen Körper von seinem Geist, man löst seinen Geist von seiner Seele. Durch tägliche Meditation, konsequent und über lange Zeit beibehalten, meistert man diesen Prozess. Man verliert alle Angst vor dem Tod.

Entwickelt man diese Gewohnheit, täglich zu meditieren, entwickelt man nicht nur vollständige Kontrolle über die Pranas, der Geist kennt auch keine Furcht mehr. Man besitzt willentliche Kontrolle über alle Körperfunktionen, einschließlich des Todes, denn der Tod ist nichts anderes als eine Körperfunktion.

Die Essenz der physischen Energie ist Prana. Die Essenz der pranischen Energie ist das Energiefeld des Geistes. Kontrolle des Prana ist der erste Schritt in Richtung solcher Kontrolle. Das wird erreicht durch richtige Ernährung, richtiges Atmen, rechte Geisteshaltung.

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