Koshas - das System der fünf Hüllen
Auszüge aus der Vortragsserie 'Systeme der Persönlichkeit'
von Swami Veda Bharati
Teil 7
Das System der drei Körper (siehe dort) und das System der fünf Hüllen oder Koshas stehen in engem Zusammenhang.
Die fünf Hüllen sind:
Anandamaya-kosha, Vijnanamaya-kosha, Manomaya-kosha, Pranamaya-kosha, Annamaya-kosha.
Anandamaya-kosha
Die Hülle aus Ananda, begrenzte Seligkeit, ist identisch mit dem Kausalkörper im System der drei Körper. Es ist die erste, subtilste Verhüllung, die das reine Selbst überdeckt. Sie besteht aus Mahat, dem kosmischen Geist - und aus dem individuellen Citta, der gewaltigen Ausdehnung des unbewussten Geistes. Anandamaya ist die erste Verzerrung der reinen transzendenten Freude und Seligkeit (Ananda) des Selbst. Das reine Selbst ist jenseits von Schmerz und Vergnügen. Diese erste Hülle beinhaltet das Prinzip von Vergnügen (Lust) und Schmerz. Das Individuum beginnt hier zu glauben, 'Ich kenne Vergnügen, ich kenne Schmerz, ich kenne das Angenehme und Unangenehme.'
Vijnanamaya-kosha
Die Hülle, die aus begrenzter Erkenntnis besteht. Sie umfasst Ego (ahamkara) und Intelligenz (buddhi). Durch diese Hülle wird das Selbst, das nie handelt und daher nie Genießer der Erfahrungen ist, so erlebt, als würde es Gut und Böse kennen, Handlungen ausführen und deren Resultate 'genießen'.
Die biblische Metapher der völligen Nacktheit (im Garten Eden) ist bekannt. Jetzt gibt es den Gegensatz von richtig und falsch, jetzt glaubt man, man sei ein Kenner von Gut und Böse. Hier kommt das Dualitätsprinzip zum Tragen. Hier in Vijnanamaya-kosha befindet sich der 'Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen'. Die Unschuld ist verloren.
Vijnana bedeutet hier begrenzte Erkenntnis. Das Selbst besitzt ewige, unbegrenzte und reine Weisheit - durch Vijnana wird Erkenntnis begrenzt und daher bedeutet es begrenztes Handeln. Jetzt glaubt man, dass das reine, transzendente Selbst handelt und daher die Folgen des Handelns erleidet oder genießt.
Manomaya-kosha
Die Hülle des aktiven Geistes (manas) und der kognitiven Sinne. Das, was keine Zweifel kannte, kennt jetzt Zweifel. Das, was keine Sorgen und Täuschungen kannte, kennt jetzt Sorgen und Illusionen. Das Selbst identifiziert sich jetzt mit den Augen, Ohren etc. - und begrenzt dadurch seine unbegrenzte Kapazität.
Zuvor konnte es alles zugleich wahrnehmen, jetzt sieht es nur noch ein Objekt und glaubt 'Ich sehe'. Diese Hülle des aktiven Geistes und der kognitiven Sinnesfähigkeiten macht aus dem Selbst, das keine Zweifel kennt, ein zweifelndes, begrenztes Wesen, das in die Welt der äußeren Objekte gezogen wird.
Pranamaya-kosha
Die Prana-Hülle - die fünf Pranas kontrollieren die fünf subtilen Handlungsfähigkeiten (aktiven Sinne), sie bilden den subtileren Teil der Prana-Hülle. Jetzt erscheint es so, als würde das Selbst körperlich handeln. Das, was keinen Hunger kennt, erfährt jetzt Hunger. Das, was immer in Stille ist, spricht jetzt, das Selbst scheint zu gehen etc. Dies alles sind falsche Identifikationen.
Annamaya-kosha
Die Hülle bestehend aus 'anna', Nahrung. Also der grobstoffliche, physische Körper einschließlich der physiologischen Atmung. Die physiologische Atmung ist der grobstoffliche Teil von Pranamaya-kosha. Daher wird die Hälfte des Prana dem grobstofflichen Körper zugerechnet. Der physische Körper, der aus Nahrung besteht - das ist annamaya.
Wenn sich das Selbst mit dieser Hülle identifiziert, dann erscheint es so, als würde das, was nie atmet, jetzt atmen. Das, was unsterblich ist, stirbt. Das, was nie geboren wird, wird geboren. Das, was kein Alter kennt, kennt jetzt aufgrund dieses Körpers Alter, Geburt, Kindheit, Jugend, Verfall und Tod. In Wirklichkeit ist es nicht so, doch aufgrund der Identifikation mit dieser dichtesten Hülle erlebt es jetzt die Vorstellungen von Geburt und Tod und all dem anderen.
Vijnanamaya, Manomaya und der subtilere Anteil von Pranamaya bilden gemeinsam den sogenannten Subtilkörper.
A-U-M
Die drei Klänge des Om - A, U, M - repräsentieren den Wachzustand, den Traumzustand, den Schlafzustand. Die drei Begrenzungen, die dem Selbst auferlegt sind. Das Selbst, das unbegrenzte Handlungsfähigkeit besitzt, unbegrenzte Erkenntnis, unbegrenzten Willen, erfährt jetzt durch diese fünf Hüllen oder drei Körper, durch das A-U-M, durch Wachzustand, Traumzustand und Schlaf, nur noch begrenzte Handlungsfähigkeit, begrenzte Erkenntnis, begrenzte Willenskraft.
Zustände des Bewusstseins
Es gibt noch eine weitere Abteilung in dieser Übersicht: Vishva, Taijasa und Prajna. Sie repräsentieren die kosmische Gebundenheit - das kosmische Wesen, das sich selbst mit begrenzter Handlungsfähigkeit erlebt, und dadurch zum Universum wird, das den Körper dieses kosmischen Wesens darstellt.
Dieses subtile Prinzip sollte man verstehen. Was auf der physischen Ebene geschieht, geschieht zuerst auf der kosmischen Ebene. Das, was wir als transzendentes Brahman bezeichnen, nimmt einen Körper an. Dieser Körper ist das Universum. Daher sollte man den Begriff 'kosmisches Bewusstsein' nicht als Synonym für Erleuchtung verwenden. Kosmisches Bewusstsein ist nichts Höheres als unser gewöhnliches Körperbewusstsein, es ist einfach nur das Bewusstsein eines sehr großen Körpers.
All diese kosmischen Dinge, die Erde, Planeten, Sonne usf., sie alle setzten sich aus derselben Materie zusammen, aus denen dieser Körper besteht. Die Räume zwischen den Planeten sind die Räume zwischen den Zellen oder Atomen. Kosmisches Bewusstsein zu verwirklichen ist keine Befreiung.
Wenn also das kosmische Wesen einen universellen Körper annimmt (vishva), sich selbst als 'Vishva' erlebt, ist es dasselbe Universum, das wir in unserem Wachzustand erleben - das ist der Klang 'A' in Om.
Taijasa - der kosmische Traum, begrenztes Licht. Von diesem kosmischen Traum beziehen wir winzige Teilchen in unseren individuellen Träumen. In diesen Träumen verweilen wir in den 2 ½ Hüllen bestehend aus dem halben Pranamaya, Manomaya und Vijnanamaya. Wir beziehen alle Elemente unseres individuellen Traums aus diesem großen kosmischen Traum. Das ist das begrenzte Wissen, der Klang 'U', das begrenzte Licht, Taijasa.
Die subtilste Hülle, Anandamaya, der Kausalkörper, begrenzter Wille, der Schlafzustand - auf der kosmischen Ebene wird es als Prajna bezeichnet, begrenztes Bewusstsein, begrenzter Wille - der Klang 'M'. Aus diesem kosmischen Schlaf beziehen wir unseren persönlichen Schlaf.
Der vierte, nichthörbare Klang, zu dem das Om führt und in den sich das Om auflöst, ist die höchste Stille.
Andererseits verbindet man durch diesen Klang den individuellen mit dem kosmischen Wachzustand, Traum- und Schlafzustand - um sie zu überwinden. Es ist der Punkt auf dem Om, der vierte Klang, Bindu - der Punkt. Er repräsentiert das vierte, nicht aussprechbare und nicht hörbare Prinzip, die Transzendenz, in die alles sich vereinigt.
Und jenseits dieser Stille befindet sich eine Stille, die nur ein Yogi erfährt.
Vom Groben zum Subtilen: der Weg der Meditation
In der Praxis der Meditation gehen wir vom Gröberen zum Feineren. Wir entwickeln sie vom Groben zum immer Subtileren, bis schließlich die feinste Hülle transzendiert wird und man das reine Selbst erreicht. Samadhi ist eine Art Tod. Doch in Samadhi wird der Körper lebendig erhalten, um motiviert von Mitgefühl weiter für andere zu handeln.
Ein Yogi, der diese Selbstverwirklichung erlangt hat, ist nicht weiter an diese Hüllen gebunden. Er mag sie aufrechterhalten, um in der Gesellschaft zum Wohl anderer zu wirken. Um einen Vortrag zu halten, braucht er das Sprechorgan. Doch er ist nicht mehr daran gebunden, er identifiziert sich nicht mehr mit dieser begrenzten Ausdrucksweise. Wenn er also stirbt, trägt er nicht mehr dieses Instrument bezeichnet als Subtilkörper mit sich. Er trägt dieses Instrument der Früchte des Handelns (karma) nicht weiter mit sich. Von daher ist sein Handeln und sein Tod vollständig unter seiner Kontrolle. Er sammelt keine weiteren Samskaras (Eindrücke) mehr an, sein Handeln hinterlässt keine Spuren mehr.
Falls nötig, wird er aus Mitgefühl wiederkehren.