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Meditative Psychotherapie

Die yogische Therapie der Emotionen

Der Meditationsweg schließt einen gründlichen Prozess der Psychotherapie mit ein. Ein wesentliche Unterschied zur herkömmlichen Psychotherapie liegt jedoch in der Zielsetzung. Yogapsychologie beschäftigt sich nicht allein mit der Frage der individuellen Formen von Leiden, nicht allein mit spezifischen persönlichen Problemen. Sie behandelt das Problem der Ursachen sämtlichen Leidens.

Man kann ewig seine Neurosen analysieren und therapieren, und man wird doch niemals ein Ende finden. Man befreit sich von einer Art Schmerz - und morgen taucht eine andere Art Schmerz auf.
Es gibt kein Ende der Schmerzen, solange man sich mit ihnen beschäftigt.
Swami Veda Bharati

Im Prozess der Meditation liegt daher das Hauptaugenmerk weniger auf dem Aufdecken spezifischer persönlicher Problematiken. Der Wert dessen wird keineswegs negiert, manchmal ist es eine notwendige Unterstützung. Doch der zentrale Fokus liegt auf der Auflösung der allen Schmerzen und Problemen zugrunde liegenden Ursachen, der Grundspannungen eines dualistischen Geistes (kleshas): die Grundemotionen der Anhaftung, der Aversion, der Angst und des blinden Egoismus.

Ein Beispiel:  du willst lernen, mit deiner Wut umzugehen

In der Psychotherapie suchst du die Ursachen der Wut in deiner persönlichen Biographie. Du beleuchtest, unter welchen Bedingungen deine Wut ausgelöst wird - und evtl. beginnst du zu verstehen, aufgrund welcher Erfahrungen und Entwicklungen diese Wut entstanden ist. Dann wird der Therapeut Möglichkeiten aufzeigen, wie du mit dieser Wut auf andere Weise umgehen kannst.

Kompetente Meditationsbegleiter werden diese Art psychotherapeutische Prozesse keinesfalls negieren. Wie gesagt, manchmal ist es eine notwendige Unterstützung. Auch sehr spirituelle Menschen können manchmal derartige Begleitung benötigen.

Der spirituelle Prozess arbeitet allerdings grundlegender - hier untersucht man beispielsweise:

Wenn ich ärgerlich bin - was geschieht dann in meinem Geist?

Im Prozess der Selbsterforschung begreift man allmählich:

  • jedesmal, wenn ich meinem Ärger nachgebe, verletze ich andere
  • zugleich stärke ich diese Art von Gewohnheit, d.h. ich bilde immer stärkere Tendenzen dazu, gereizt, ärgerlich und wütend zu reagieren und diesen Ärger auf andere abzuladen
  • diese Tendenz bildet starke Eindrücke in meinem Subtilkörper -
    durch mein verletzendes Agieren (physisch, psychologisch, verbal …) erzeuge ich also Verletzungen im eigenen Subtilkörper, die in ihrer karmischen Konsequenz früher oder später zu Erfahrungen führen, in denen ich selbst verletzt werde
  • darüber hinaus trüben diese Tendenzen das klare Licht des spirituellen Selbst (atman), es kann nicht zum Vorschein kommen - ich blockiere also meinen Fortschritt auf dem Meditationsweg
  • will ich auf Fortschritte machen, ist es besser, meinen Geist von dieser Gewohnheit des Ärgers, der Wut und anderer leiderzeugender Tendenzen zu reinigen.

Der Prozess der Klärung dieser Art Tendenzen besteht darin, zu lernen, sich aus der Identifikation mit negativen Emotionen bewusst herauszuziehen, sie loszulassen - und verletzende Tendenzen durch das Kultivieren konstruktiver Eigenschaften zu ersetzen und aufzulösen. In den Lehren der Yoga-Meditation wird dies in Form der 'Meditation des Gegenteils' vermittelt (pratipaksha-bhavana).

Karmischer Kontext

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, den Grundzusammenhang zwischen Erfahrung und Handlung wirklich zu verstehen:

  • alles, was wir im Leben erfahren - alle erfreulichen Erfahrungen genauso wie alle schmerzlichen Entwicklungen, Belastungen und Einschränkungen - entstehen aus dem karmischen Script, das wir in dieses Leben mitgebracht haben
  • sie manifestieren sich (zu ihrer Zeit) in Form angenehmer, freudvoller wie auch schmerzlicher bzw. traumatisierender Erlebnisse in unserem Leben -
  • abhängig davon, wie wir mit diesen Erfahrungen umgehen, entstehen erneut freudvolle und leidvolle (karmische) Eindrücke, im unbewussten Geist eingelagert
  • diese neu gebildeten Eindrücke bilden die Grundlage für spätere (karmische) Entwicklungen in der eigenen Erfahrung
  • dies bedeutet, dass wir durch unser Handeln unsere persönliche wie spirituelle Entfaltung entweder blockieren, indem wir die negativ-emotionalen Tendenzen weiter nähren - oder sie fördern, indem wir diese belastenden Tendenzen reinigen und die sattvischen Tendenzen des Geistes gezielt stärken.

Notwendigkeit der Reinigung des Geistes

Alles auf dem spirituellen Weg hängt vor allem von zwei Dingen ab:

  • Achtsamkeit (smriti), ein nichtreaktives Gewahrsein -
    man beobachtet seine inneren Zustände wie auch die äußeren Entwicklungen -
    dies bildet u.a. die Grundlage für alle Prozesse der Selbsterforschung
  • und Konzentration (dharana) -
    sie ermöglicht uns, die unerschlossenen Potentiale unseres Geistes zu erschließen.

Konzentrationsfähigkeit entsteht als Resultat der Reinigung des Geistes, der Heilung der emotionalen Belastungen und Verletzungen, die wir in uns tragen.

Das Positive stärken

Der primäre Grundsatz der gesamten yogischen Psychotherapie lautet:
halte dich nicht mit dem Negativen, Belastenden beschäftigt - sondern stärke die positiven Eigenschaften. Man stellt die Lösung anstelle des Problems in den Mittelpunkt.

Die Empfehlung lautet also:

  • Halte dich nicht mit dem auf, was du nicht willst
  • richte sich auf das Wünschenswerte aus - das Gegenteil des Problems -
  • anstelle eine Belastung loswerden zu wollen, fördere das, was die gewünschte Veränderung bewirken kann - das, was sich entwickeln soll - das, was Erweiterung, Freude, Friede bringt - das, was den Geist leichter macht, ihn stabilisiert, stärkt - die sattvischen Eigenschaften.

Die Therapie beruht also auf dem Stärken der den belastenden Tendenzen entgegenstehenden Eigenschaften. Dies sind in erster Linie die sattvischen (hellen, lichten, klaren) Qualitäten des Geistes.

Diese Praxis beginnt mit dem Kultivieren der yama-niyamas, der ethischen Leitprinzipien bezogen auf den Umgang mit uns selbst und mit anderen, mit der Natur, mit Besitz etc. Dies wird dann weiter vertieft durch die Bhavanas der natürlichen sattvischen Eigenschaften - das Kultivieren von Friedfertigkeit, Mitgefühl u.a. (brahmaviharas).

Alles, wirklich alles auf dem Weg spiritueller Entfaltung hängt von der Reinigung der Emotionen ab. Durch das Fördern der positiven, heilsamen Tendenzen wird all das, was dem inneren Licht im Weg steht, bereinigt. Doch all das ist naürlich ein allmählicher Prozess, Veränderung kann nur Schritt für Schritt entstehen.

Man kann spirituell keine Fortschritte machen,
solange man nicht seine emotionalen Hindernisse bereinigt.

In der Praxis bedeutet das:

Immer wenn man mit belastenden oder schmerzlichen Bedingungen konfrontiert ist, sich darin zu üben,

  • sich nicht in Abwehr, Ärger, Angst und der darum kreisenden mentalen Argumentation zu verlieren -
    sich also nicht weiter in das Problem, in diese Art Energien hineinzusteigern -
  • sondern sich dieser Zustände bewusst zu werden und sich daraus herauszuziehen -
  • und sich entschlossen auf das auszurichten,
    was an dessen Stelle an förderlichen, sattvischen Eigenschaften und innerer Stärke benötigt wird.

Man richtet sich also auf die sattvischen, positiv stimulierenden Eigenschaften aus - wie Nichtverletzen, Gelassenheit, Friedfertigkeit, Zuwendung, Geduld etc. Man entscheidet und entschließt sich dafür, sein Leben und Handeln an diesen Leitprinzipien ausrichten.

In der Praxis sollte daher - neben der Entwicklung der Grundlagen - die Klärung all seiner ungeklärten emotionalen Lasten im Vordergrund stehen. Auf diese Weise werden die leidverursachenden Grundtendenzen (kleshas) - Anhaftung, Aversion, Angst und blinder Egoismus - zunehmend geschwächt.

Nochmals:

  • es beginnt mit Achtsamkeit - dem achtsamen Erforschen seiner eigenen Zustände und Bedingungen
  • man kultiviert bewusst die förderlichen Eigenschaften der yama-niyamas
  • es führt weiter über das Kultivieren der natürlichen spirituellen Eigenschaften wie liebevolle Zuwendung, Mitgefühl, Gleichmut (brahmaviharas) und anderer sattvischer Eigenschaften
  • auf den fortgeschritteneren Stufen des Weges stehen die Entfaltung von Unterscheidungsfähigkeit, spiritueller Willensstärke (samkalpa-shakti) und anderer geistiger Faktoren im Mittelpunkt.

Wenn man so übt, wird man im Lauf der Zeit feststellen, wie die neu kultivierten Tendenzen allmählich an Kraft gewinnen, und wie bisher dominante Gewohnheiten an Momentum verlieren.

Der Geist erschafft alle Probleme - er kann ebenso alle Lösungen hervorbringen.
Doch dazu muss man seinen Geist trainieren.

(Swami Veda, Samvid)

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